CF-MB im Gespräch mit... Markus Freitag – AndresPartner

Die anhaltende Rezession und das zunehmend schwierige Marktumfeld führen zu einem deutlichen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen. So stiegt die Zahl der Firmeninsolvenzen im Jahr 2024 bereits auf das Niveau zu Zeiten der Finanzkrise 2009. Steigende Zinsen, hohe Energiekosten und eine sinkende Kaufkraft setzen Unternehmen unter erheblichen Druck. Besonders betroffen sind Branchen, die stark von Verbraucherausgaben abhängen oder bereits vor der Krise mit strukturellen Herausforderungen zu kämpfen hatten.

Während viele Unternehmen noch versuchen, sich an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, führen Liquiditätsengpässe und schwache Wachstumsprognosen immer häufiger zu Zahlungsausfällen. Diese Entwicklung unterstreicht, wie wichtig eine strategische Ausrichtung und ausreichende finanzielle Puffer sind, um in einem volatilen Wirtschaftsumfeld zu überleben.

CF-MB: Herr Freitag, wie beurteilen Sie das aktuelle Marktumfeld in Bezug auf Insolvenzen?

Wir beobachten derzeit eine Zunahme der Insolvenzfällen, die sich schon seit der Aufhebung der Corona-bedingten Aussetzung der Insolvenzantragspflicht abgezeichnet hat. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie gestiegene Energiekosten, hohe Zinsen und eine insgesamt volatile Marktlage, setzen vor allem kleine und mittelständische Unternehmen unter Druck. Hinzu kommen Unsicherheiten in der Lieferkette und eine allgemein vorsichtige Konsumstimmung, die viele Branchen belasten. Bei vielen Unternehmen herrscht große Unsicherheit und die Liquiditätsreserven sind aufgebraucht.

CF-MB:Welche Unternehmen sind Ihrer Erfahrung nach besonders von dieser Entwicklung betroffen?

Besonders betroffen sind Unternehmen in energieintensiven Branchen, wie der Produktion oder dem Handel. Auch der Einzelhandel leidet stark unter veränderten Konsumgewohnheiten und der Konkurrenz durch den E-Commerce. Hinzu kommen Unternehmen, die schon vor der Krise strukturelle Probleme hatten, sei es durch ineffiziente Prozesse, mangelnde Digitalisierung oder unzureichende Finanzreserven. Vor besonders großen Herausforderungen stehen auch die Automobilindustrie und deren Zulieferer.

CF-MB: Welche Rolle spielt die Insolvenzverwaltung in diesem Umfeld?

Die Insolvenzverwaltung ist mehr als nur das Abwickeln von Unternehmen. Unser Ziel ist es, frühzeitig Lösungen zu entwickeln, die eine Sanierung im Rahmen einer Eigenverwaltung oder eines Schutzschirmverfahrens ermöglichen. Das kann mithilfe eines Insolvenzplans geschehen oder durch die Suche nach Investoren, die den Geschäftsbetrieb übernehmen. Wir sehen uns als Partner, der Unternehmen in der Krise unterstützt und hilft, den größtmöglichen Wert für alle Beteiligten zu sichern – sei es für Gläubiger, Mitarbeiter oder Kunden. Das Insolvenzrecht stellt den Verantwortlichen einen breiten Werkzeugkasten zur Verfügung, mit dem man gezielt Sanierungsschritte umsetzten kann, für die einem außerhalb eines solchen Verfahrens die Mitteln fehlen. Insbesondere das Verfahren der Eigenverwaltung bietet hie den Unternehmen und deren Stakeholder gute Möglichkeiten bestehende Krisen zu überwinden und nachhaltig zu beseitigen.

CF-MB: Welche Lösungsansätze gibt es für Unternehmen, die sich in einer Krise befinden?

Der wichtigste Schritt ist, frühzeitig zu handeln. Je eher ein Unternehmen professionelle Unterstützung sucht, desto größer sind die Handlungsspielräume. Möglichkeiten reichen von außergerichtlichen Restrukturierungen und Refinanzierungen bis hin zur Nutzung des präventiven Restrukturierungsrahmens nach StaRUG.. Bei einer gerichtlichen Sanierung über ein Insolvenzverfahren  sind Eigenverwaltung und Schutzschirm oft eine gute Option, um die Kontrolle zu behalten und den Betrieb gezielt neu auszurichten. Je später aber gehandelt wird, desto mehr verkleinern sich die Handlungsspielräume. Auch müssen in diesem Zusammenhang die rechtlichen Pflichten der  Geschäftsführung für ihr Handeln in der Krise sehr kritisch geprüft und beachtet werden. Hier gilt gleichermaßen: je früher gehandelt wird, umso geringer die Haftungsgefahren. Dazu bedarf es aber einer professionellen Begleitung. Unternehmen sollten in jedem Fall ein Sanierungsverfahren – auch im Insolvenzbereich- immer als eine Chance und nicht als ein Ende sehen.

CF-MB: Welche Trends oder Entwicklungen sehen Sie für die kommenden Jahre im Bereich Restrukturierung und Insolvenz?

Ich erwarte, dass die Insolvenzzahlen auch 2025 weiter steigen, da viele Unternehmen in der Rezession und unter den aktuellen wirtschaftlichen Belastungen an ihre Grenzen kommen. Auch die globale Entwicklungen werden einen Einfluss auf den Wirtschaftsstandort Deutschland haben. Gleichzeitig werden das StaRUG und die Verfahrensarten Eigenverwaltung und Schutzschirm weiter an Bedeutung gewinnen, da dies frühzeitige Lösungen ermöglicht, bei denen der Werkzeugkasten der Insolvenz als Sanierungsmittel zur Verfügung stehen. Darüber hinaus wird die Digitalisierung eine größere Rolle spielen – sowohl bei der Restrukturierung von Geschäftsmodellen als auch in der Verwaltung von Insolvenzverfahren.

CF-MB:Herr Freitag, was raten Sie Unternehmen, die sich aktuell mit einer Krise konfrontiert sehen?

Mein Rat ist, die Situation realistisch zu bewerten und frühzeitig Experten hinzuzuziehen. Unternehmen sollten keine Angst davor haben, Restrukturierungs- oder Insolvenzoptionen zu prüfen. Diese Werkzeuge sind nicht das Ende, sondern oft der Beginn eines neuen, nachhaltigeren Weges. Offenheit, Transparenz und eine klare Strategie sind der Schlüssel, um eine Krise zu überwinden.

CF-MB: Herzlichen Dank für den spannenden Austausch und weiterhin viel Erfolg, Markus Freitag.

Markus Freitag AndresPartner Insolvenzverwalter

Markus Freitag ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Partner bei der Kanzlei AndresPartner, einer führenden Kanzlei mit Schwerpunkt auf die Themen Restrukturierung, Sanierung und Insolvenzverwaltung. Nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann studierte er Rechtswissenschaften an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Nach dem zweiten Staatsexamen sammelte er internationale Erfahrung in einer Kanzlei in San Diego, USA, und arbeitete anschließend bei als Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskanzlei Beiten Burkhardt (vormals KPMG Treuhand & Goerdeler Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft mbH). Er wird von Gerichten in Nordrhein-Westfalen regelmäßig als Insolvenzverwalter bestellt.

Seine Expertise liegt in der Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen, insbesondere in den Bereichen Automotive, IT/High-Tech-Industrie, Autohandel, Dienstleistung, Einzelhandel und Bauwesen. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Tätigkeit istdie Erstellung und Umsetzung von "pre-packaged" Insolvenzplänen und der Restrukturierung von Unternehmen im insolvenznahem Umfeld, insbesondere in Eigenverwaltungsverfahren, in den er als Restrukturierungsbevollmächtigter tätig ist. Zudem verfügt er über umfangreiche Erfahrung in der Prüfung von Lieferantenrechten, Verhandlungen mit Poolführern sowie in bank- und gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen.

Markus Freitag ist an den Standorten Düsseldorf und Bocholt tätig und wird für seine strategische Beratung in komplexen Restrukturierungsverfahren geschätzt. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit veröffentlicht er regelmäßig Fachbeiträge und ist aktives Mitglied in einschlägigen Fachverbänden.