Die Konsolidierung im Gesundheitssektor gewinnt an Fahrt -  M&A im deutschen Krankenhausmarkt

Die Konsolidierung im Gesundheitssektor gewinnt an Fahrt - wie M&A einen Beitrag zur Krisenbewältigung im deutschen Krankenhausmarkt leisten kann

erschienen im FYB Financial Yearbook

Per se sind Krankenhäuser Nutznießer des demografischen Wandels. Daher verwundert es zunächst, dass die Innenfinanzierung im Marktdurchschnitt nicht ausreichend ist und durch die Aufnahme externer Finanzmittel zunehmend ergänzt werden muss. Die Corona-Hilfen 2020-22 konnten noch verdecken, dass die Erlöse aus stationärer Leistungserbringung zwischenzeitlich stark gesunken sind. Behandlungen wurden entweder gar nicht oder teilweise im ambulanten Bereich erbracht. Doch ab 2023 kam es nicht zu den erhofften Nachholeffekten; die stationären Erlöse erreichen seitdem nicht mehr das Vor-Corona-Niveau. Außerdem sind die Betriebskosten inflationsbedingt und infolge hoher Tarifabschlüsse weiter gestiegen, die erst zeitverzögert und unzulänglich durch Krankenkassen und -versicherungen ausgeglichen werden. Hinzu kommt ein erheblicher Fachkräftemangel, der bestimmte Leistungen oder Leistungsmengen nicht mehr ermöglicht und durch teure Zeitarbeitskräfte aufgefangen werden muss.

Die Krankenhäuser stehen daher finanziell unter hohem Druck: Das RWI erwartet laut Krankenhaus-Rating-Report für 2024 bei 70% aller Krankenhäuser einen Jahresfehlbetrag, ab 2025 sogar für 80% der Krankenhäuser. Das Phänomen einer Insolvenz von Krankenhäusern war bis zum Ende der Corona-Hilfen nahezu unbekannt. Doch in 2023 waren bereits rund 30 Insolvenzen zu verzeichnen, überwiegend in Eigenverwaltung bzw. im Schutzschirmverfahren. Für das Jahr 2024 rechnet die Deutsche Krankenhausgesellschaft mit etwa 80 Insolvenzen, das Bundesgesundheitsministerium geht sogar von 100-130 aus..

Für eine erforderliche Standortverdichtung, die Spezialisierung des Leistungsspektrums, die Umwidmung von Standorten zu Gesundheitszentren oder eine bessere Vernetzung mit anderen Gesundheitsdienstleistern in der Region werden weitere externe Finanzmittel benötigt. Die zu verabschiedende Krankenhausreform sieht zwar die genannten Maßnahmen vor, doch werden durch die Reform dem Krankenhausmarkt insgesamt keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung gestellt. Die Beteiligung eines finanzstarken, sanierungserfahrenen Interessenten kann jedoch den gegenwärtigen und künftigen Liquiditätsbedarf decken. M&A kann somit ein wichtiges Hilfsmittel zur Krisenbewältigung sein, da die Sanierung eines solitären Hauses in Eigenregie oftmals auf genau die Schwierigkeiten trifft, die zur gegenwärtigen Situation geführt haben. 

Frage 1: Krankenhäuser bilden das Rückgrat unserer Gesundheitsversorgung. Sie müssen in allen medizinischen wie administrativen Bereichen so aufgestellt sein, dass sie in puncto Qualität und Effizienz überzeugen. Wie können Krankenhäuser dieses Ziel erreichen?

Die drohende Zahlungsunfähigkeit sowie der anstehende Liquiditätsbedarf zum Abbau von Betten-Überkapazitäten, zur Leistungsspezialisierung der bisherigen „Vollsortimenter“ und Vernetzung mit anderen Gesundheitsanbietern erfordern finanzielle Mittel von außen. Die duale Krankenhausfinanzierung sieht grundsätzlich keine Zuführung externer Finanzmittel vor: Die Betriebskosten (Personal, Medikamente, Energie, Verpflegung, bezogene Leistungen) sollen zu 100% von den Krankenkassen und -versicherungen gedeckt werden, die investiven Maßnahmen (Abschreibungen, Mieten, Leasing) zu 100% über Fördermittel der Bundesländer. Der zur Finanzierung der Krankenhausreform angedachte Transformationsfonds führt nur zu einem verzögerten und zeitlich über zehn Jahre gestreckten Mittelzufluss, der das akute Liquiditätsproblem nicht lösen kann.

Der drängende Mittelbedarf ist in den drei Trägergruppen „öffentlich“, „privat“ und „kirchlich“ höchst unterschiedlich ausgeprägt: Öffentliche Häuser werden, sofern die Haushaltslage dies zulässt, von ihrem kommunalen Eigentümer gestützt. In privaten Klinikgruppen werden die defizitären Häuser im Cash-Pool mit der notwendigen Liquidität versorgt und gruppenintern saniert. Solitäre kirchliche Akutkrankenhäuser unterhalb einer kritischen Größe sind derzeit am stärksten von der Insolvenzgefahr betroffen, da den Trägern die Mittel zur Stützung und Sanierung fehlen oder anderweitig benötigt werden. Mit der Verschlechterung der kommunalen Haushaltssituation (Gewerbesteuer-Aufkommen, Sozialhilfe-Zahlungen) ist künftig damit zu rechnen, dass öffentliche Krankenhäuser zunehmend insolvent werden, da ihre Eigentümer keine Zuschüsse leisten oder Darlehen gewähren. Wir gehen davon aus, dass städtische und Landkreis-Kliniken in steigendem Maße Probleme mit ihrer Zahlungsfähigkeit bekommen werden.

In dieser Situation ist die Fremdkapitalaufnahme bei Banken und Sparkassen erschwert, wenn nicht gar unmöglich. Kooperationsverträge mit anderen Gesundheitsdienstleistern fördern zwar die notwendige Vernetzung, führen dem betreffenden Krankenhaus aber keine Finanzmittel zu. Auch die Beauftragung eines Interims- oder Sanierungsmanagements ist meistens nicht zielführend, da kein Geld mitgebracht wird. Es gibt in den Krankenhäusern selten ein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Als Ausweg bleibt nur der Einstieg eines strategischen Investors, der neben der Marktkenntnis und Sanierungserfahrung über die entsprechenden Finanzmittel verfügt. Als strategische Interessenten kommen lokale Krankenhäuser, überregionale Klinikketten oder Investoren, die eine Plattform für den Aufbau einer ambulanten Kette suchen, infrage. Zu den überregional aktiven Klinikketten zählen etwa Private, wie Helios, Asklepios, Sana, Ameos, Artemed oder Schön, und Freigemeinnützige, wie z.B. die Alexianer, Franziskaner, Johanniter oder Agaplesion. Lokale Lösungen wurden in der Vergangenheit häufig mit Universitätsklinika oder großstädtischen kommunalen Klinikgruppen gesucht.

Bei einem rechtzeitig, vor drohender Zahlungsunfähigkeit eingeleiteten M&A-Verkaufsprozess kann die Beteiligung eines strategischen Investors planvoll, strukturiert und geordnet unter Leitung des bisherigen Trägers aktiv gestaltet werden. Droht jedoch die Zahlungsunfähigkeit oder ist diese – neben der Überschuldung ohne Fortführungsprognose – bereits eingetreten, ist der Alteigentümer des Akutkrankenhauses nur noch Zuschauer im weiteren Gestaltungsprozess.

Frage 2: Wie sieht der M&A-Prozess im Rahmen eines Insolvenzverfahrens aus?

Nach Beantragung der Insolvenz verschafft sich das betreffende Krankenhaus eine Atempause durch den Zufluss des Insolvenzgeldes (bis zu 80% der Betriebskosten sind Personalkosten), die Kündigung unvorteilhafter Verträge, das Aussetzen von Lohnsteuer- und Umsatzsteuerzahlungen etc.

Die Insolvenzverfahren werden stets als Dual-Track-Verfahren durchgeführt – also Erstellung eines Gutachtens zur Sanierung in Eigenregie und parallel  der Verkauf an einen solventen Interessenten. Um die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger sicherzustellen, müssen neben der Sanierung auch Kaufgebote von Interessenten eingeholt werden, die dann das Krankenhaus mit Liquidität ausstatten und dieses selbst sanieren. Die Gläubiger entscheiden letztlich, welcher Alternative sie den Vorzug geben. Erst wenn Sanierung oder Verkauf scheitern, kommt es zur Liquidation. Da an der Krankenhausgesellschaft öffentlich-rechtliche Zulassungen und Genehmigungen hängen, z.B. die Aufnahme als Plankrankenhaus oder die Genehmigung von Fördermitteln, erfolgt die M&A-Transaktion typischerweise im Wege eines Share Deals und nicht als übertragende Sanierung.

Entscheiden sich die Gläubiger für den M&A-Prozess, so findet der Verkauf häufig innerhalb einer Trägergruppe oder bei einer sinnvollen lokalen Lösung auch an einen trägerfremden Interessenten statt. Die wenigen großen M&A-Transaktionen im Rahmen einer Insolvenz betrafen oftmals öffentliche Akutkrankenhäuser, beispielhaft die imland Kliniken an die Schön Klinik Gruppe in 2023 oder die fränkischen Regiomed-Kliniken an die Sana Kliniken in 2024. Nicht selten geben auch die bisherigen Gesellschafter ein Erwerbsangebot mit Sanierungskonzept ab, das sich mit den anderen Angeboten messen lassen muss. Die Alteigentümer können insofern nur indirekt im Wege der Abgabe eines eigenen Angebots Einfluss auf das weitere Schicksal ihrer (alten) Klinik nehmen.

Wegen der Unsicherheiten bezüglich der Krankenhausreform halten sich derzeit externe Interessenten zurück, um kein vermeintliches Fehlinvestment zu tätigen. Es ist davon auszugehen, dass sich das Interesse an Akutkrankenhäusern wieder signifikant verbessern wird, sobald die Bundesländer dem Gesetzeswerk zustimmen (oder ihre Zustimmung versagen) und erste Erfahrungen gesammelt wurden.

Frage 3: Welche konkreten Lösungsschritte sind zu empfehlen?

Möchte der bisherige Träger des kriselnden Krankenhauses das Heft des Handelns in der Hand behalten, sollte er sich frühzeitig mit einem M&A-Prozess auseinandersetzen und nicht erst bei Insolvenz quasi als Zuschauer vom Spielfeldrand indirekt Einfluss zu nehmen versuchen. Der M&A-Prozess ist kein nachrangiger Lösungsweg, sondern neben dem Sanierungsversuch in Eigenregie ein gleichberechtigter Bestandteil eines jeden Insolvenzverfahrens. Die frühzeitige Auseinandersetzung beinhaltet die intensive Befassung mit möglichen Sanierungsmaßnahmen vor drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit, die rechtzeitige Kontaktaufnahme mit externen Kapitalgebern und das systematische Zusammentragen bewertungs- und transaktionsrelevanter Dokumente. Denn ist das Insolvenzverfahren einmal beantragt worden, sind Zeit und Ressourcen für die Anbahnung des Verkaufsprozesses äußerst knapp und können vom Alteigentümer kaum noch beeinflusst werden.

Da das Krankenhaus und sein Eigentümer zum ersten (und hoffentlich letzten) Mal mit einer derartigen Krisensituation konfrontiert ist, bietet sich die frühe Mandatierung eines M&A-Beraters an, der außer der nötigen M&A-Erfahrung in Insolvenzverfahren oder insolvenznahen Fällen auch die Fach- und Markt-Expertise mitbringt. Über einen belastbaren Kontakt zu Gläubigerbanken und -sparkassen, möglichen Interessenten und angrenzenden Beratern sollte das mandatierte M&A-Unternehmen unbedingt verfügen. Nur wer die Befindlichkeiten, Usancen und Bedürfnisse der Gläubiger und sanierungserfahrenen strategischen Investoren kennt, kann die Vorbereitungsmaßnahmen für einen M&A-Prozess in der Kürze der Zeit zielgerichtet durchführen.

Auch im hochfragmentierten Markt für stationäre Pflegeeinrichtungen als weitere Gruppe von Gesundheitsdienstleistern sind zuletzt die Insolvenzen größerer Pflegeketten, wie Convivo, Dorea, Curata Care, Hansa Pflege oder Novent, aufgefallen. Lokale Schließungen alleinstehender Pflegeheime bleiben hingegen in der bundesweiten Wahrnehmung unbeachtet, obwohl sie das Gros der Insolvenzen in diesem Sektor darstellen dürften. Die Lösungsansätze für Krankenhäuser in der Krise gelten prinzipiell für Pflegebetriebe genauso.

Für die Transaktionsdurchführung im Gesundheitssektor, vor allem in Krisensituationen, bietet die CF-MB eine einzigartige Kombination von Erfahrungen, Know-how und Kontakten der Teammitglieder:

  • Dokumentierte Berufserfahrung und Marktkenntnisse im Hinblick auf den deutschen Gesundheitssektor (Gesundheitsdienstleister wie Akutkrankenhäuser und Rehakliniken, MVZs, Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen, ambulante Pflegedienste);
  • umfangreiches Know-how bei M&A-Transaktionen durch langjährige persönliche Spezialisierung und Erfahrungen – auch in Insolvenzverfahren oder insolvenznahen Situationen;
  • Netzwerk von und beste Kontakte zu Experten für ausgesuchte Spezialgebiete (z.B. Klinikimmobilien), zu Rechtsanwälten (Insolvenzrecht, Zusatzversorgungskasse), Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern, Entscheidungsträgern im Gesundheitssektor und finanzierenden Sparkassen.