Fallstricke in VC-Beteiligungsverträgen

Fallstricke in Venture Capital-Beteiligungsverträgen

erschienen im Startup Valley Magazine

Gründer stehen am Anfang ihrer unternehmerischen Reise vor der großen Frage, ob sie einen Bootstrapping-Ansatz verfolgen möchten oder externe Kapitalgeber einbinden wollen. Für jene Startups, die sich für die zweite Variante entscheiden, stellt besonders Venture Capital eine interessante Finanzierungsquelle dar. Während die Vorteile einer Kapitalerhöhung meist vielversprechend erscheinen, erschließen sich die Nachteile, die mit der Beteiligung eines Investors einhergehen, oftmals erst bei der Durchsicht des Beteiligungsvertragsentwurfs. Diese Schattenseiten betreffen insbesondere diejenigen Gründer, die den Weg in die Selbstständigkeit wählen, um weisungsbefreit agieren zu können. Im Folgenden soll daher aufgezeigt werden, inwiefern Gründer durch die Kapitalbeteiligung eines Venture Capital Investors eingeschränkt werden.

1. Beschränkungen bei Entscheidungen

Einer der wesentlichen Vorteile des Unternehmertums (und Unterschiede zum Angestelltenverhältnis) ist es, dass die Gründer weisungsunabhängig Entscheidungen treffen können. Sobald Startup-Unternehmer jedoch einen Risikokapitalinvestor in den Gesellschafterkreis aufnehmen, wird diese Entscheidungshoheit in vielerlei Hinsicht eingeschränkt.

Entscheidungsbezogene Beschränkungen im operativen Geschäft und allgemeiner Art

In VC-Verträgen lässt sich oftmals ein Passus finden, in dem sich die Beteiligungsnehmer verpflichten, ihre gesamte Arbeitskraft dem Startup zu widmen. Diese Klausel soll den Investor davor schützen, dass das Gründerteam weitere Nebenprojekte startet und somit seiner Aufgabe (den Wert des Unternehmens zu steigern) unzureichend nachkommt. Gründer haben in diesem Kontext natürlich das Nachsehen, da ihnen somit beispielsweise die Möglichkeit verwehrt wird weitere Einnahmen zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts durch einen Zweitjob zu generieren. In Hinblick auf die Corporate Governance eines Startups beinhalten VC-Verträge manchmal zudem einen ganzen Katalog von zustimmungspflichtigen Geschäften. Diese werden jeweils individuell festgelegt, verfolgen jedoch das Ziel die Sicherheit des Investors zu erhöhen, indem wichtige Entscheidungen nicht mehr ohne sein Einverständnis getroffen werden können.

Beschränkungen hinsichtlich der Verfügung über Unternehmensanteile

Die Verfügungsmöglichkeit über Unternehmensanteile ist ein zentraler Punkt im Startup-VC-Vertragsverhältnis, da Risikokapitalinvestoren durch den gewinnbringenden Verkauf der Anteile eine hohe Rendite erzielen wollen. Demzufolge finden sich in Beteiligungsverträgen auch besonders viele Einschränkungen zu dieser Thematik. Typische Vertragsbestandteile sind Klauseln zum Tag-along-Recht (Mitveräußerungsrecht) und zum Drag-along Recht (Mitverkaufspflicht).

Das Tag-along-Recht dient dazu, kleine Investoren zu schützen. Diese Klausel gibt ihnen das Recht, ihre Anteile zu gleichen Konditionen wie die Mehrheitseigner zu veräußern. Ein Nachteil für Gründer bei dieser Regelung ist jedoch, dass ein potentieller Käufer im Zweifelsfall mehr Anteile übernehmen müsste, als er möchte, was zu einer Komplikation oder einem Abbruch der Verhandlungen führen könnte. Hinsichtlich der Formulierung des Drag-along-Rechts sollten Gründerteams ganz besonders gut hinsehen. Dieser Passus verpflichtet Gesellschafter nämlich dazu, ihre Anteile mitzuverkaufen, sofern ein interessierter Käufer ein Angebot zum Erwerb des Startups macht, welches der Investor annehmen möchte. Die Gründer haben in diesem Fall keinerlei Einfluss auf den Verkaufszeitpunkt oder den vereinbarten Kaufpreis, da sie sich den vom Beteiligungsgeber vereinbarten Konditionen anschließen müssen. In der Praxis ist es aus Gründersicht daher wichtig darauf zu achten, dass ein hoher Verkaufspreis (z.B. mindestens 50 Millionen Euro) oder eine Zustimmungspflicht von beispielsweise 75% der Gesellschaftsanteile erforderlich ist, um einen Verkauf anzustoßen. Somit können die Gründer verhindern, dass sie ungewollt aus ihrem eigenen Unternehmen gedrängt werden.

Zusätzlich zu den oben genannten Regelungen kann in VC-Beteiligungsverträgen vereinbart werden, dass die Rechte und Pflichten des Beteiligungsvertrags auch auf die Erwerber oder Rechtsnachfolger übergehen, weitere offene sowie stille Gesellschafter qualifizierte Rangrücktritte erklären müssen und die Auflösung der Gesellschaft nicht ohne Zustimmung des Investors erfolgen kann. Außerdem wird sich der VC-Geber oftmals das Recht einräumen seinen prozentualen Anteil am Unternehmen auch in folgenden Finanzierungsrunden zu halten, um eine Verwässerung zu verhindern.

Restriktionen bei der Verfügung über Geldmittel

Gründer haben als Teilhaber an ihrem Startup die volle Verfügungsgewalt über die Geldmittel im Unternehmen und können über deren Einsatz (z.B. Investitionen in neue Mitarbeiter, Ausschüttungen oder Erhöhung der Geschäftsführergehälter) frei bestimmen. Nach dem Einstieg eines VCs sind die Gründer nicht mehr befugt entsprechende Entscheidungen in Eigenregie zu treffen. Oftmals wird ein konkreter Kosten- und Finanzierungsplan aufgestellt, der genau festlegt wie die zur Verfügung gestellten Mittel einzusetzen sind. Eine weitere Beschränkung finanzieller Art ergibt sich dadurch, dass Gründer sich oftmals verpflichten müssen Gewinnausschüttungen erst dann vorzunehmen, wenn sämtliche Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Beteiligungsgeber erfüllt wurden. Außerdem sollte Gründern bewusst sein, dass sie die Beteiligungssumme zumeist nicht auf einmal, sondern in Tranchen ausgezahlt bekommen. Die Auszahlung der Tranchen hängt wiederum mit der Erfüllung vorab vereinbarter Meilensteine zusammen. Die Konsequenz dieser Regelung ist, dass Gründer ihre unternehmerischen Entscheidungen an den Vertrag anpassen müssen, um weitere Finanzierungsmittel zu erhalten. Vorstellbar ist ein Szenario, in dem die Erreichung eines Meilensteins an erste Umsätze des Startups geknüpft ist. Das Gründerteam könnten sich daher veranlasst fühlen, Produkte zu verkaufen die noch nicht ihren Mindestqualitätsstandards entsprechen, nur um die nächste Tranche zu erhalten.

2. Zeitliche Beschränkungen

Anders als in einem Angestelltenverhältnis können selbstständige Gründer frei über ihre zeitlichen Ressourcen verfügen und sie zielgerichtet für diejenigen Themen einsetzen, die nach ihrer Einschätzung Priorität haben. Sobald die Startup-Unternehmer jedoch den Beteiligungsvertrag unterschreiben, haben sie Pflichten, die ihre zeitlichen Kapazitäten in vielerlei Hinsicht einschränken. Daher sollen im Folgenden einige typische Vertragsklauseln behandelt werden, die eine zeitliche Beschränkung des Gründerteams zur Folge haben.

Zeitlicher Aufwand vor der Auszahlung der Geldmittel

Bevor Startups die Kapitalmittel des Investors in Anspruch nehmen können, müssen die Gründer zahlreiche administrative Aufgaben erfüllen. In einem frühen Stadium erhalten Gründer oftmals einen ganzen Anforderungskatalog an Unterlagen, die sie dem Investor im Rahmen der Due Diligence zur Verfügung stellen müssen. Nachdem sich beide Parteien auf eine Zusammenarbeit geeinigt haben, erwartet das Gründerteam ein weiterer zeitlicher Aufwand. Hierzu gehört es beispielsweise die Kapitalerhöhung und Satzungsänderungen zu beschließen und erforderliche Handelsregistereintragungen vorzunehmen.

Zeitlicher Aufwand während der Beteiligung

Auch während der Beteiligung müssen Gründer viel Zeit investieren, die ihnen folglich an anderer Stelle (z.B. für die Produktweiterentwicklung) fehlen wird. Diese zeitlichen Beschränkungen resultieren aus der Tatsache, dass VCs oftmals monatlich, quartalsweise, halbjährlich und jährlich ausführliche Auskünfte über die Entwicklung des Startups einfordern, um die Werthaltigkeit ihrer Beteiligung überprüfen zu können. Neben Unterlagen, die normalerweise mit wenigen Klicks weitergeleitet werden können (BWA, SuSa, Kreditoren- und Debitorenlisten) fordern VCs manchmal auch Dokumente, deren Erstellung viel Zeit in Anspruch nehmen. Hierzu gehören beispielsweise eine Soll-Ist-Analyse auf Basis der betriebswirtschaftlichen Auswertung inklusive Vorausschau, eine Kommentierung wesentlicher Abweichungen, ausführliche Berichte über die Entwicklung des Unternehmens sowie Planungen für das laufende Geschäftsjahr und die nachfolgenden Geschäftsjahre.

3. Finanzielle Beschränkungen

Gründer müssen sich darüber im Klaren sein, dass eine VC-Beteiligung mit Kosten und finanziellen Nachteilen verbunden sein kann. Dies ist ein weiterer wichtiger Aspekt, den Gründer bei ihrer Entscheidung berücksichtigen sollten, ob sie organisch wachsen oder extern finanziert werden möchten.


Kosten und Haftungsregelungen

Zu Beginn eines Einstiegs in ein Beteiligungsverhältnis mit einem Venture Capital Geber müssen Gründer Kosten für Rechts- und Steuerberatung sowie Gebühren hinsichtlich der Durchführung einer Kapitalerhöhung einplanen. Je nach Ausgestaltung des Beteiligungsvertrags lassen sich VCs ihr Engagement zudem vergüten. Im Rahmen einer stillen Beteiligung können zum Beispiel Klauseln enthalten sein, die das Gründerteam zur Zahlung einer Bearbeitungsgebühr, einer gewinnunabhängigen sowie gewinnabhängigen Vergütung und einer Endvergütung verpflichten. Weitere Kosten können dadurch entstehen, dass Investoren den Abschluss einer Risikolebensversicherung für einzelne Know-how-Träger verlangen, bei mangelnder Qualität des Berichtswesens die Einstellung eines externen Beraters fordern oder Überprüfungs- und Überwachungsmaßnahmen in Rechnung stellen.

Im Vertragswerk von Risikokapitalinvestoren sind zudem zahlreiche Fallstricke eingebaut, in denen das Startup finanziell sanktioniert wird, sollte die vertragliche Partnerschaft nicht wie geplant verlaufen. Beteiligungsgeber lassen sich manchmal umfangreiche Garantien unterschreiben, die sie für den Fall absichern sollen, dass das Gründerteam falsche Angaben gemacht oder in der Vergangenheit nicht gesetzeskonform gehandelt hat. In diesem Kontext verweist eine Klausel darauf, dass der Beteiligungsnehmer für alle Schäden und Ausfälle haftet, die sich aus einem Verstoß gegen die genannten Verpflichtungen ergeben.

Finanzielle Beschränkungen im Verkaufsfall

In den meisten Fällen planen Investoren ihre Beteiligung eine begrenzte Zeit zu halten und sie danach mit einem möglichst großen Gewinn wieder zu verkaufen. Damit auch die Gründer von dem Verkauf ihres Unternehmens profitieren können, sollten sie die Passus, die sich auf die Liquidationspräferenzen beziehen, genau inspizieren. Standartmäßig räumen sich Risikokapitalgeber im EXIT-Fall oder bei einer Liquidation das Recht ein, vorrangig vor anderen Gesellschaftern befriedigt zu werden. Ein besonderes Augenmerk sollte darauf gerichtet werden, ob in den Klauseln eine nicht-anrechenbaren Liquidationspräferenz vereinbart wird. Hierdurch erhält der Investor die Möglichkeit im Verkaufsfall mehr zu erhalten, als ihm gemäß seiner prozentualen Beteiligung an dem Startup eigentlich zustehen würde (double dipping).

Schlussbetrachtung

Gründer, die Venture Capital in Anspruch nehmen, müssen sich immer das Ziel des Investors vor Augen führen – die Unternehmensanteile gewinnbringend zu verkaufen. Die Verträge sind folglich entsprechend ausgestaltet, um dem VC weitgehende Kontroll- und Mitspracherechte einzuräumen. Die Beteiligung eines Risikokapitalinvestors kann jedoch auch zahlreiche Vorteile mit sich bringen. VCs bringen neben Kapitalmitteln auch ihre Expertise und ihre Kontakte in das Unternehmen ein und können positive Auswirkungen auf die Reputation des Startups haben. Dennoch sollten insbesondere diejenigen Gründer, die den Weg in die Selbstständigkeit wählen, um weisungsbefreit agieren zu können, genau überdenken, ob sie Risikokapitalinvestoren in ihren Gesellschafterkreis aufnehmen wollen. Letztendlich sind der individuelle Zielkatalog sowie eine einzelfallabhängige Gewichtung der Vor- und Nachteile entscheidend.