FYB Coronavirus M&A‑Markt

Hat das Coronavirus den M&A-Markt in eine Schockstarre versetzt?

Deutsche Unternehmen verschieben ihre geplanten M&A‑Transaktionen in den Zeiten von Corona oder sagen sie komplett ab, sie sind verunsichert. Das Umfeld für Akquisitionsfinanzierungen ist aktuell nicht das Beste. Ist der Höhenflug am M&A-Markt zu Ende? Werden die Deals auf Eis gelegt?

erschienen im FYB Financial Yearbook

1. Wie wirken sich die Corona-bedingten Maßnahmen auf Transaktionen aus?

Ähnlich wie bei der Ausbreitung der Corona-Pandemie lassen sich auch die Auswirkungen auf den M&A-Markt in Form einer Welle beschreiben. Anfangs ging die Unsicherheit bei Investoren und Unternehmern steil nach oben, was zu einem beinahe vollständigen Stillstand der Transaktionen führte. Im Laufe der letzten Wochen und mit den Maßnahmen der Bundesregierung (flexibles Kurzarbeitergeld, steuerliche Liquiditätshilfen, Milliarden-Schutzschild für Unternehmen insbesondere KfW-Finanzierungen und dem Konjunkturprogramm) ging die Unsicherheit im Markt merklich zurück. Sämtliche M&A-Aktivitäten werden nun allerdings unter veränderten Vorzeichen und in zeitlich deutlich längeren Transaktionsprozessen stattfinden. Wir stellen bei unseren Transaktionen fest, dass Käufer aktuell versuchen, einen deutlichen Risikoabschlag in den Verhandlungen in Form eines geringeren Kaufpreises, einer höheren Rückbeteiligung und/oder einer nachgelagerten Kaufpreiskomponente (Earn-out) durchzusetzen.

Als M&A-Berater sind wir hier auf der Sell-Side natürlich gefragt, weiterhin bestehende Wachstumsmöglichkeiten und nachhaltige Ertragslage des zu verkaufenden Unternehmens aufzuzeigen. Dabei versuchen wir, die aktuellen Unsicherheiten bestmöglich zu reduzieren. Wir gehen davon aus, dass Käufer nun durchsetzungsstärker in den Transaktionsprozessen agieren und in Zukunft die Themen “Garantien“ und “MAC-Klauseln“ wieder intensiver verhandelt werden. Unser Anspruch ist es, dass mittelständische Unternehmer, die einen Großteil ihres Arbeitslebens in den Aufbau des eigenen Betriebes gesteckt haben, dafür auch in Krisenzeiten angemessen entlohnt werden. Einige geschäftsführende Gesellschafter, die vor der Krise ihre Unternehmensnachfolge anstoßen wollten, haben aktuell noch Bedenken und warten die weiteren Entwicklungen ab. — Dabei wird oft vergessen, dass für Unternehmen, deren Geschäftsmodell sich auch während der Corona-Pandemie bewährt hat (folglich krisensicher ist!), die aktuelle Lage sogar eine Chance darstellt.

Die Unsicherheit in der Kaufpreisfindung wird ein Stolperstein für alle zukünftigen Transaktionen, besonders in den am härtesten betroffenen Sektoren wie Freizeit, Reisen und Einzelhandel. Hier werden Käufer, die die größte Flexibilität zur Überbrückung der Bewertungslücke zeigen, in zukünftigen Transaktionsprozessen eine größere Erfolgschance haben.

2. Erwarten Sie jetzt mehr Distressed M&A-Transaktionen? Wenn ja, in welchem Zeitraum und in welchen Branchen?

Diese Frage lässt sich ganz klar mit einem „Ja“ beantworten. Die Distressed M&A-Transaktionen steigen merklich und zwar branchenübergreifend. Natürlich sind viele Unternehmen aus den Bereichen Dienstleistungen, Freizeit und Reisen, Einzelhandel und Automobilindustrie besonders betroffen, allerdings haben fast alle Branchen mit Umsatz- und Ertragsrückgängen zu kämpfen. Unternehmen, die schon vor der Krise angeschlagen waren, können die damit einhergehenden, neu entstandenen Liquiditätsengpässe nun nicht auffangen. Sofern sie kein neues Fremdkapital von Banken oder Eigenkapital von Investoren beschaffen können, führt diese Sondersituation zwangsläufig zur Zahlungsunfähigkeit.

Trotz des merklichen Anstiegs bei den Distressed M&A-Transaktionen erwarten wir von der Corporate Finance Mittelstandberatung GmbH die große Insolvenzwelle erst zum Ende dieses Jahres. Aktuell können Unternehmen, die durch die Corona-Pandemie in die Krise geraten sind, von der Insolvenzantragspflicht befreit werden. Diese Ausnahmeregelung gilt jedoch nur bis Ende September. Diejenigen Geschäftsführer, die ihr Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt nicht restrukturieren können, werden dann Insolvenz anmelden müssen.

3. Nehmen Sie Veränderungen bei der Finanzierungsstrukturierung wahr? Gibt es andere Präferenzen?

In der Tat gibt es bei der Finanzierungstrukturierung erste Anzeichen einer Veränderung. Banken sind traditionell Risiko-avers und verhalten sich folglich in Krisenzeiten restriktiv bei der Kreditvergabe bzw. sind mit der Liquiditätssicherung ihrer Firmenkunden sowie Workout-Themen ausgelastet. Es ist kein Geheimnis, dass die Banken den Fluss der Akquisitionsfinanzierungen einschränken, da sie sich darauf konzentrieren, die alltäglichen Geschäftsbedürfnisse ihrer bestehenden Portfoliokunden zu unterstützen. Dies spielt Käufern mit stärkeren Bilanzen und einer Cash-Kriegskasse in die Hände.

Die weitere Entwicklung bei der Beschaffung von Fremdkapital wird davon abhängen, inwieweit sich die makroökonomischen Auswirkungen auf die Bilanzen der Banken niederschlagen. Mittelständische Unternehmer sollten darauf achten, dass bestehende Covenants nicht verletzt werden bzw. Absprachen treffen, diese zu verändern (Covenant-Reset) oder auszusetzen (Covenant-Holiday).

Der Einsatz alternativer Fremdfinanzierungsformen und die Aufnahme weiterer Kapitalgeber sollte auf jeden Fall geprüft werden, z.B. der Einsatz von Debt Fonds. Neben der Aufnahme von Fremdkapital steht Unternehmen natürlich weiterhin die Möglichkeit offen, eine Eigenkapitalbeteiligung für ihren Betrieb zu suchen. Bei allen Aktivitäten sollten die oben genannten neuen Trends und Gegebenheiten berücksichtigt werden. Insbesondere bei Gesprächen mit Eigenkapitalinvestoren werden sich diese das zusätzliche Risiko etwa in Form höherer Rückbeteiligungen oder Earn-out-Klauseln vergüten lassen. Gleiches gilt für Banken, die ihre Konditionen ebenfalls nach oben anpassen werden. Falls sich zeigen sollte, dass die Finanzierungsstrukturen durch die Einschaltung unterschiedlicher Finanzierungspartner mit unterschiedlichen Verträgen, Besicherungen und Interessen absehbar komplexer und komplizierter werden, muss eine Unternehmenstransaktion in jedem Fall von einem Experten betreut werden, der Expertise und Erfahrung im M&A-Bereich hat.