Die in der M&A*-Transaktionsberatung zentralen Rechenwerke unterscheiden sich in ihrer Zielsetzung: Modelle der Unternehmensbewertung (Multiples*, DCF* in verschiedenen Ausprägungen, EVA, Ertragswert) haben zum Ziel, einen subjektiven Wert für das Transaktionsobjekt zu ermitteln. Auf Basis dieses Wertes legt beispielsweise der Käufer den Höchstpreis fest. Ein weiteres Rechenwerk bei Unternehmenskäufen mit hohem Fremdkapitalanteil, die sog. LBO*-Analyse, entstammt den Kreditabteilungen der finanzierenden Banken. Oftmals wird die LBO-Analyse als spezielles, komplexes Bewertungsverfahren bei Leveraged-Buyouts* beschrieben. Der vorliegende Artikel soll dieses Missverständnis beseitigen.
Bei der LBO-Analyse handelt es sich nicht um ein Bewertungstool, sondern um ein Finanzierungstool. Ziel der Analyse ist es, die aus Sicht des Käufers renditeoptimale und tragfähige Finanzierungsstruktur für den zu zahlenden Kaufpreis zu ermitteln. Bewertungsmodelle sagen dagegen nichts über die Kaufpreis-Finanzierung aus, sondern nur über einen plausiblen Höchstpreis. Die unterschiedliche Zielsetzung drückt sich in gravierenden Differenzen der Annahmen und Strukturmerkmale beider Rechenwerke aus:
- Die Unternehmensbewertung dient der Ermittlung eines subjektiven Wertes für ein fortzuführendes Unternehmen (Going Concern* Annahme). Der Planungshorizont ist daher langfristig und zeigt sich in dem Konstrukt der „ewigen Rente“. Die Detailplanungsphase sollte zumindest einen Investitionszyklus oder die Restrukturierungsphase umfassen, bis das zu bewertende Unternehmen einen stabilen, langfristig fortführbaren Zustand erreicht hat. Die LBO-Analyse ist dagegen ein Hilfsmittel zur Optimierung der Kaufpreis-Finanzierung. Der Weiterverkauf des Unternehmens wird schon zum Einstiegszeitpunkt eingeplant. Der Investitionshorizont ist begrenzt und bestimmt sich nach der beabsichtigten Haltedauer oder Tilgungsfrist für das oder die Akquisitionsdarlehen.
- Idealbild in der Unternehmensbewertung ist ein Investor, der das Unternehmen unendlich lange betreibt und daher über Synergieeffekte und die Sicherstellung der Ausschüttungsfähigkeit den Kaufpreis refinanziert. Der Kaufpreis wird quasi aus den Cashflows des erworbenen Objekts bezahlt. In der LBO-Analyse erfolgt der Return on Investment* des Eigenkapitalgebers aus dem Weiterverkauf des betreffenden Unternehmens. Um den Verkaufserlös zu maximieren, ist bis dahin das Fremdkapital zur Finanzierung des ursprünglichen Kaufpreises weitestgehend zurückzuführen. Insofern steht die Schuldentragfähigkeit des Akquisitionsobjektes im Vordergrund, und der Cashflow des Unternehmens soll ausschließlich der Rückführung der Fremdfinanzierung dienen. Der Finanzierungsanteil des Eigenkapitalgebers wird idealtypisch durch den neuen Investor bezahlt.
- „Bewerten heißt Vergleichen.“ Der Diskontierungssatz (z.B. WACC*) repräsentiert in der Unternehmensbewertung die Alternativrendite auf vergleichbare Zahlungs- oder Ertragsströme. Ohne Detailplanungsphase oder in der ewigen Rente kann der Diskontierungssatz auch auf einen Multiplikator verdichtet werden, der nichts anderes darstellt als den Kehrwert der Alternativrendite. Ein Multiplikator von 8,0x auf den nachhaltigen Gewinn ist gleichzusetzen mit einer Alternativrendite von 12,5% (ohne Wachstumsrate). In der LBO-Analyse werden die Ansprüche verschiedener Kapitalgebergruppen auf den jeweiligen Unternehmenswert im Vergleich zum Einstiegszeitpunkt ermittelt. Die Wertveränderung ergibt die erzielte Rendite der Kapitalgebergruppe. Daher ist die entscheidende Größe in der LBO-Analyse die Investitionsrendite IRR*, die aus der Investitionsrechnung bekannt ist.
- Wegen der langfristigen Betrachtungsweise wird in der Unternehmensbewertung eine für die Zukunft stabile Finanzierungsstruktur im Unternehmen geplant. Wie bei der Herleitung der Alternativrenditen (bezeichnet als Eigenkapital- oder Fremdkapitalkostensätze) bedient man sich hierbei ebenfalls eines Vergleichs mit Branchen- oder risikoähnlichen Betrieben. In der LBO-Analyse wird infolge des renditesteigernden Leverage-Effekts bei der Kaufpreis-Finanzierung eine Maximierung der Fremdkapitalquote angestrebt, die aber zugleich eine ordnungsgemäße Entschuldung sicherstellt. In der LBO-Analyse wird in erster Linie die Entwicklung der Finanzierungsstruktur in der wirtschaftlichen Einheit „Akquisitionsvehikel-Unternehmen“ und nicht allein auf Unternehmensebene untersucht.
Die Einordnung von LBO-Analysen als zusätzliches Bewertungstool mag auf mehreren Fehlinterpretationen beruhen, von denen einige im Folgenden genannt sind:
- LBO-Analysen greifen auf (Cashflow-) Planungen aus der Unternehmensbewertung zurück, da die bewertungsrelevanten Cashflows auch die Grundlage für die Fremdkapitalrückzahlung bilden. Kaufpreis-Herleitung und Kaufpreis-Finanzierung sollten auf denselben Cashflows beruhen, um eine Kongruenz zum Akquisitionszeitpunkt herzustellen und Zweifel an den beiden Rechenwerken zu vermeiden. Identische Ausgangsdaten rechtfertigen aber nicht die Gleichsetzung der Zwecke. Unternehmensbewertung und LBO-Analyse sind lediglich zwei Seiten einer Medaille: Wert-Generierung versus Wert-Verteilung.
- Zum anderen enthält die LBO-Analyse eine Wertkomponente aus der Fremdfinanzierung einer Akquisition*, die eine Einordnung als eigenständiges Bewertungsverfahren nahelegen könnte. Durch die Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen bei der Ertragsteuerbemessung wird eine wertsteigernde Komponente der Fremdfinanzierung, auch als Tax Shield bezeichnet, errechnet. Das Unternehmensbewertungsverfahren APV (Adjusted Present Value) ist sogar auf die gesonderte Bewertung des Tax Shields* ausgerichtet. Doch die Wertkomponente „Tax Shield“ ist in der LBO-Analyse lediglich ein „Abfallprodukt“. Ansonsten würde das Hauptaugenmerk nicht auf der zügigen Entschuldung liegen, die den Tax Shield wieder entwerten würde. Außerdem ist seit Einführung der Zinsschranke die Wertkomponente „Tax Shield“ gedeckelt und kann ggf. erst weit in der Zukunft steuerlich genutzt werden.
- Der Hinweis, dass in der LBO-Analyse der renditeoptimale Kaufpreis bei gegebener Fremdfinanzierung iterativ simuliert wird und es sich insofern um eine Unternehmensbewertung handelt, deutet auf eine Begriffsverwirrung in Bezug auf „Preis“ und „Wert“ hin. Dass sich die Rendite auf das eingesetzte Kapital erhöht, wenn der Kaufpreis gesenkt wird, ist keine Frage der Unternehmensbewertung, sondern eine Binsenweisheit. Wird in einer M&A-Transaktion das Unternehmen unterhalb des ermittelten Unternehmenswertes gekauft, erhöht sich die Kapitalrendite bereits zum Erwerbszeitpunkt. Denn theoretisch könnte das Unternehmen zum (höheren) Unternehmenswert sofort wieder verkauft werden. Die iterative Anpassung des Kaufpreises hat mit der Ermittlung eines Unternehmenswertes nichts gemein. Der Kaufpreis ist Resultat von Verhandlungen zwischen Käufer und Verkäufer, die Bewertung ist Resultat einer individuellen Kalkulation zur Bestimmung von Preisuntergrenzen (Verkäufer) bzw. Preisobergrenzen (Käufer).
Die Unternehmensbewertung trifft keine Aussage zur optimalen Transaktionsstruktur im Rahmen des Erwerbs eines Unternehmens, da die Annahme getroffen wird, dass das Unternehmen unabhängig vom Bewertungsanlass fortgeführt wird. Nur bei der Ermittlung eines Liquidations- oder Zerschlagungswerts wird die Beendigung des Unternehmens unterstellt. In der LBO-Analyse ist die Transaktionsstruktur hingegen integrativer Bestandteil, da eine M&A-Transaktion typischerweise den Analyseanlass bildet. Akquisitionsvehikel, Managementbeteiligung (MBO*/MBI*), Verkäuferdarlehen*, Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrags, Installation eines Cash-Pools, eine spätere Verschmelzung oder sonstige steuerliche Optimierungen werden explizit in die LBO-Analyse einbezogen, in der Unternehmensbewertung aber nur ausnahmsweise, sofern die Unternehmenssphäre betroffen ist.
Ein M&A-Berater sollte sowohl Unternehmensbewertungen als auch LBO-Analysen selbst durchführen können, um einem Käufer oder Verkäufer eine Indikation für den zu erwartenden Kaufpreis geben sowie die geeignete Transaktions- und Finanzierungsstruktur planen und vorbereiten zu können. CF-MB bietet hier in allen für eine M&A-Transaktion maßgeblichen Bereichen Unterstützung.
Die mit * gekennzeichneten Begriffe werden auch auf der Webpage der CF-MB im Glossar unter CF-Wissen erläutert.