Unternehmensbewertung M&A

Unternehmensbewertung - Welche Verfahren zur Bewertung eines Unternehmens gibt es?

Die Unternehmensbewertung findet häufig direkt zu Beginn eines M&A-Prozesses statt. Sie bietet dem Verkäufer eine erste Indikation des zu erwartenden Verkaufspreises und hilft ihm dabei, die Angebote der potentiellen Käufer besser einschätzen zu können. Der Preis, zu dem das Unternehmen letztendlich seinen Besitzer wechselt, hängt jedoch maßgeblich von den im Anschluss geführten Verhandlungen ab. Besonders bei der Akquisition durch einen strategischen Investor kann der gezahlte Preis deutlich vom rechnerischen Unternehmenswert abweichen.

Die Corporate Finance-Branche differenziert bei der Bewertung eines Unternehmens zwischen dem Equity Value und dem Enterprise Value. In der M&A-Praxis wird jedoch vorwiegend mit dem Enterprise Value gerechnet, da dies der Betrag ist, den der Käufer eines Unternehmens im Rahmen der Transaktion bezahlen muss. Hinsichtlich der Ermittlung eines Unternehmenswertes stehen einem M&A-Berater theoretisch mehrere Methoden zur Verfügung. Hierzu gehören unter anderem das „Discounted-Cash-Flow-Verfahren“, „Multiples“ und die „LBO-Bewertung“. Weniger verbreitete beziehungsweise ergänzende Bewertungsverfahren nennen sich „Adjusted Present Value“, „Liquidationswert“ / „Asset Replacement Value“, „Dividend Yield“ sowie „Economic Value Added“. Im Folgenden sollen sowohl das Multiplikatorverfahren (Multiples) als auch die Discounted-Cash-Flow-Methode vertiefend erläutert werden, da diese Verfahren in der Praxis die größte Bedeutung haben.

Discounted-Cash-Flow-Methode

Die Discounted-Cash-Flow-Methode (in Kurzform auch DCF-Methode genannt) stammt aus der anglo-amerikanischen Bewertungspraxis und ist eines der am häufigsten angewendeten Verfahren zur Unternehmensbewertung. Der Begriff setzt sich aus den Wörtern „Discounted“ (abgezinst) und „Cash-Flow“ (Zahlungsstrom) zusammen, die jeweils einer eigenen Erklärung bedürfen.

Die Abzinsung (oder auch Diskontierung) geht auf den Grundgedanken zurück, dass 1000€, die man heute besitzt, mehr wert sind, als 1000€, die man zukünftig besitzt. Dahinter steht die Annahme, dass man den Geldbetrag zinsbringend anlegen könnte und somit in Zukunft nicht nur über den Ursprungsbetrag, sondern auch über den Gewinn verfügen kann. Im Zuge einer Abzinsung wird der sogenannte Barwert bestimmt. Hierbei wird vom Endwert einer Zahlung ausgegangen und daraus der Ursprungswert errechnet, beispielsweise um die Frage zu klären, welches Anfangskapital zum heutigen Zeitpunkt erforderlich ist, um nach einem bestimmten Zeitraum ein erforderliches Endkapital zu erreichen beziehungsweise allgemein, um den heutigen Wert künftiger Zahlungen zu ermitteln.

Bei der Discounted-Cash-Flow-Methode, wird der heutige Wert zukünftiger Zahlungsströme (Cash Flows) durch Abzinsung bestimmt. Der Zinssatz, mit dem ein Zahlungsstrom diskontiert wird, muss das Risiko einer alternativ gleichwertigen Anlage angemessen wiederspiegeln. Folglich gibt es nicht den einen, richtigen Zinssatz. Im Kontext der DCF-Methode arbeiten M&A-Berater häufig mit dem WACC-Ansatz. Das Akronym WACC steht für „Weighted Average Cost of Capital“, also die durchschnittlich gewogenen Kapitalkosten. Dieser gewichtete Gesamtkapitalkostensatz wird genutzt, um die Free Cash Flows Brutto auf den Zeitpunkt null zu diskontieren. Der WACC kann auch als Mischkostensatz bezeichnet werden, da er sowohl die Zinsforderungen der Eigenkapitalgeber als auch die Zinsforderungen der Fremdkapitalgeber mit einschließt. Für die Berechnung des WACC müssen zahlreiche Variablen bekannt sein, wie beispielsweise der risikolose Zinssatz, das Beta des Unternehmens (systematisches Risiko), die Marktrisikoprämie und der Grenzsteuersatz des Unternehmens.

Der Zahlungsstrom (Cash Flow) ist die zweite erklärungsbedürftige Komponente. Wie bereits beschrieben wurde, wird im Rahmen des WACC-Ansatzes mit den Free Cash Flows Brutto gerechnet. Je nach DCF-Verfahren sind aber auch alternative Rechnungswege möglich. Ausgangspunkt für die die Berechnung eines Free Cash Flows ist das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit vor Zinsen und nach Steuern, welches mittels einer Rückrechnung um zahlungsunwirksame Aufwendungen und Erträge korrigiert wird. Zusätzlich werden die Investitionen in das Anlagevermögen und die Veränderung des Umlaufvermögens (Working Capital) berücksichtigt.

Die Berechnung des Unternehmenswertes besteht abschließend aus zwei Teilbausteinen. Zuerst werden aus den prognostizierten Zahlen des Businessplans die Free Cash Flows für die kommenden Jahre errechnet und mit dem WACC auf den Zeitpunkt null diskontiert. Nachfolgend wird aus den Kennzahlen des letzten Planjahres, mittels einer Formel, der sogenannte Terminal Value bestimmt. Der Terminal Value (auch Endwert genannt) entspricht der Summe aller Cash Flows vom ersten Jahr nach der Planungsperiode bis in die Ewigkeit. Auch dieser Wert wird analog diskontiert, um den heutigen Barwert zu erhalten. Aus der Summe beider Barwerte berechnet sich schlussendlich der avisierte Enterprise Value.

Multiple-Methode

Die Berechnung eines Unternehmenswertes wird in der M&A-Praxis am häufigsten anhand von Multiples vorgenommen. Die Beliebtheit dieses Verfahrens lässt sich insbesondere auf dessen Realitätsnähe und einfache Verständlichkeit zurückführen. Das Grundprinzip ist schnell erklärt: Eine ausgewählte Kennzahl (zum Beispiel das EBITDA) wird mit einem industrieüblichen Faktor (Multiple) multipliziert. Aus dieser Rechnung ergibt sich, je nach verwendetem Multiple, ein approximativer Unternehmenswert. Damit gehört die Multiplikatormethode zu den relativen Bewertungsverfahren, da sie auf einem Vergleich zu anderen Unternehmen derselben Branche, Geschäftstätigkeit oder Größe beruht.

Den Ausgangspunkt der Unternehmenswertberechnung anhand von Multiples, stellt eine Peer-Analyse dar. Dies ist zugleich die zentrale Herausforderung dieses Verfahrens, da es äußerst schwierig sein kann, passende Daten von Vergleichsunternehmen zu finden. In manchen Fällen lassen sich die Multiples anhand früherer Transaktionen bestimmen oder können auf Basis des an der Börse ablesbaren Unternehmenswertes ermittelt werden. Sobald ein Unternehmen, durch eine disruptive Geschäftsidee, einen völlig neuen Markt erschlossen hat, oder in einer Nische arbeitet, stößt das Verfahren jedoch an seine Grenzen.

Generell stehen dem M&A-Berater zahlreiche Multiples zur Verfügung, die jeweils zur Unternehmensbewertung genutzt werden können. Als Beispiele sind Equity Multiples oder Enterprise Value Multiples (EV Multiples) zu nennen, die den Wert des Eigenkapitals bzw. den Enterprise Value eines Unternehmens in Abhängigkeit einer Ertragsgröße angeben. Im Falle der Equity Multiples sind dies beispielsweise Earnings oder der Free Cash Flow to Equity, bei den EV Multiples kommen hingegen das EDITDA, das EBIT, Sales oder der Free Cash Flow to Firm in Frage. Sogenannte Lagging und Leading Multiples spezifizieren die Equity und EV Multiples zudem hinsichtlich des Zeitraumes, auf den sich die Ertragsgröße bezieht. Lagging Multiples beziehen sich beispielsweise auf das EBITDA des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres, wohingegen Leading Multiples auf zukünftig erwartete Ertragsgrößen (wie das EBITDA des nächsten Jahres) Bezug nehmen. Außerdem werden in der Praxis noch Trading und Transaction Multiples verwendet, die aus den tatsächlich bezahlten Preisen vergangener M&A-Transaktionen abgeleitet werden.

In der Regel handelt es sich bei Multiples um ein sehr robustes Verfahren zur Bestimmung von Unternehmenswerten. Im Gegensatz zur Discounted-Cash-Flow-Methode vermeiden Multiples den Eindruck, dass der Unternehmenswert exakt bis auf den letzten Euro errechnet werden kann, da die Ergebnisse eine Bandbreite abbilden. Allerdings sind Multiples vorwiegend kurzfristig orientiert, da die Ertragsgrößen zumeist auf dem laufenden oder dem nächsten Geschäftsjahr basieren. Somit können die Effekte langfristiger Wertschöpfung nicht so präzise einbezogen werden, wie dies im DCF-Verfahren der Fall ist. Folglich sollten sowohl das Multiplikatorverfahren als auch die Discounted-Cash-Flow-Methode eingesetzt werden, um einen möglichst genauen Unternehmenswert zu erhalten.

Typische Stolpersteine bei der Unternehmensbewertung

Eine Unternehmensbewertung ist eine komplexe Angelegenheit. Mittelständische Unternehmer sollten daher die Person, der sie diese anspruchsvolle Aufgabe anvertrauen, mit Bedacht auswählen. Ein erfahrener Corporate Finance Berater weiß, wann er welche Bewertungsmethode anzuwenden hat. So ergibt die Anwendung der Discounted-Cash-Flow-Methode beispielsweise im Fall von jungen Unternehmen wie Start-Ups selten Sinn. Wachstumsorientierte Unternehmen haben häufig einen negativen Cash Flow, wodurch eine DCF-Bewertung nicht zweckmäßig ist. Da der WACC auf einem statischen Konzept beruht, ist das DCF-Verfahren zudem nur bedingt für Unternehmen geeignet, deren Kapitalstruktur sich im Laufe der Zeit voraussichtlich stark verändert. Weiterhin ist das DCF-Verfahren hochgradig sensitiv. Werden bei den Inputs unzutreffende Annahmen getroffen, weicht der errechnete Wert schnell von der Realität ab. Die Beherrschung der mathematischen Berechnung reicht folglich nicht aus, da die Annahmen auf einem tiefen Marktverständnis beruhen, welches häufig nur erfahrene M&A-Berater aufweisen. Auch die Berechnung mithilfe von Multiples wird häufig unterschätzt. Eine potentielle Fehlerquelle besteht darin, dass die Peer-Group nicht nach passenden Kriterien selektiert oder nicht exakt definiert wurde. Die zentrale Herausforderung besteht außerdem darin, die Vertrauenswürdigkeit und Vergleichbarkeit der verfügbaren Informationen einzuschätzen. Folglich sollte auch bei dieser Methode der Unternehmensbewertung ein professioneller M&A-Berater konsultiert werden. Er verfügt über die notwendige Transaktions- und Branchenerfahrung, um zu wissen, welcher Multiple verwendet werden sollte und ob dieser adjustiert werden muss.